24. Juni 1805:
Als Königin Luise mit ihrem Gemahl, König Friedrich III. von Preußen, im Sommer vom 13. Juni bis 5. Juli 1805 zu einem 3 wöchigen Kuraufenthalt zu Bad Alexandersbad weilte, erfolgte von dort aus am Montag, den 24. Juni auch ein Abstecher nach Hohenberg.

Schon zwei Tage vorher machte der bejahrte Forstbereiter von Hohenberg, Ernst Ludwig Reuß(*1758 +1819) der Majestäten seine Aufwartung. Reuß war in seiner Jugend Büchsenspanner des Markgrafen Alexander (1757 – 1791) und hatte auch unter König Friedrich Wilhelm II. (1786 – 1797) redlich und treu gedient. Der König unterhielt sich lange auf das huldvollste mit demselben, der die Vorzüge seines Berufsortes, die Schönheit der Gegend und der romantischen Lage der alten Grenzveste Hohenberg hervorhob. Reuß erlaubte sich dann die ehrfurchtsvolle Bitte, „der König möchte Hohenberg – wie unlängst auch Kirchenlamitz – mit allerhöchst Ihrem Besuche beehren.“ Der König sagte dieses auch lächelnd zu.

Für den preußischen König dürfte möglicherweise der Hauptgrund seines Besuches gewesen sein, seine preußische Garnison – die zum Regiment „Kronprinz von Preußen“ gehörte – und seit 1776 (bis 1806) auf Burg Hohenberg lag, einen Besuch abzustatten. Sicherlich wollte sich der König von dem Zustand seiner an der böhmischen Grenze postierten Garnisoner überzeugen. Napoleon war nicht mehr fern.

Der Tag des Besuches kam heran. Die Reisekutschen der königlichen Herrschaften mußten auch durch Arzberg fahren. Aus dem dortigen Unterlagen im Stadtarchiv geht hervor, daß die Straßen in Arzberg damals so schmutzig waren, daß 45 Fuhren Sand und Schotter angefahren werden mußten um die Straße für die hohen Herrschaften passierbar zu machen.

Vorher sei noch erwähnt, daß während des hohen Besuchs in Bad Alexandersbad „alle Tage oder jede Woche seines Aufenthaltes dortselbst die in der Umgebung bestehenden Landwehren die Wachen bei seiner Majestät zu stellen hatten. Als die Hohenberger drankamen, erhob sich die Frage: „Wen nehmen wir als Pfeifer mit ?“ Der bisherige Querpfeifer war ausgefallen. In der damaligen Zeit war eine Militärmusik ohne dem Querpfeifer nicht denkbar.

Die Wahl fiel auf den vierzehnjährigen Johann Adam Mainer. Er wurde auch gleich mit einer neuen Uniform (aus Wunsiedel) eingekleidet, „in der er sich mit dem dazu vom Forstbeamten Steger geschenkten Säbelchen (Hirschfänger) und seinen weissen Lockenhaaren sehr gut ausgenommen haben soll.“

„In Alexandersbad war es dann, wo Adam Mainer – beim Wacheaufziehen – das Pikkolo kreuzweise blasend, also die rechte Hand auf den oberen Löchern – neben seinem hübschen langen Trommler vorerst der Königin Luise, dann dem König nebst seinem Gefolge auffiel.“

Die Bewohner von Hohenberg bemühten am Tag des Besuchs sich auf das eifrigste, den Majestäten nebst Gefolge einen ehrenvollen Empfang zu bereiten. Zu seinem größten Leidwesen war Ludwig Reuß gleich nach seiner Rückkehr von Alexandersbad vom Kalten Fieber befallen worden. Er war so geschwächt, daß er beim Empfang nicht dabei sein konnte.

„Indess empfingen seine drei jüngsten Kinder, Mädchen in noch kindlichem Alter, das Königspaar samt Begleitung am Burgtore. Das älteste davon sagte ein Gedicht her, welches sie auch, zierlich geschrieben, mit einem Blumenkranze überreichte, welches beides voll Huld und Liebe angenomnmen wurde. Nun streuten diese Mädchen des Weges entlang Blumen bis dahin, wo unter einer uralten Linde von seltener Schönheit und Größe, am südöstlichsten Turme des Schloßes für die hohen Gäste gedeckt war. Kaum aber hatten diese sich niedergelassen als das jüngste dieser Töchter, von der Königin Liebreiz förmlich bezaubert, mit ausgebreiteten Armen auf sie zulief, ihre Knie umschlang und das Köpfchen in ihrem Schoß barg. Königin Luise – der ob dieser kindlichen Huldigung Tränen der Rührung in den Augen standen – nahm es auf den Schoß, küßte es, reichte ihm eine Tüte Confekt, und ergötzte sich lange an des Kindes naiven und klugen Antworten.“

Der König fragte das Mädchen nach ihrem Vater, der ihn so freundlich hierher eingeladen und doch beim Empfang gefehlt habe, und erfuhr nun, daß derselbe krank sei, welches der auch mit anwesende Badearzt, Kreisphysikus Dr. Schmidt aus Wunsiedel, bestätigte. Der König begab sich sogleich zu den kranken Reuß. Dieser empfing die unerwartete Huld mit Freudentränen. Der König drückte ihm die Hand, setzte sich und unterhielt sich lange mit ihm, indessen die beiden Ärzte Concilium hielten.

Später, der König war bereits wieder nach Alexandersbad zurückgekehrt, unterließ er es nicht, sich nach dem Befinden Reußens zu erkundigen und als er erfuhr, daß dieser sich seit dem Besuche des Königs sichtbar besser befände, befahl er seinem Küchenmeister, eine Kiste mit „Apfelsinen, Citronen, Chokolade, eingemachten Früchten und Confitüren an ihn zu senden. Einige huldvolle Worte bedeuteten dem Empfänger, er möge sich bei seiner Genesung damit stärken.“

Zum Andenken seines Besuches in Hohenberg ließ der König an einem der Türme der Veste den schwarzen preußischen Adler anbringen, welcher laut Wilhelmine Vogel im Jahre 1850 noch zu sehen war. (Reste davon wurden 1961 während Renovierungsmaßnahmen an der Außenmauer des Gefängnisturms entfernt.)

Beim Einzug des Königspaares in Hohenberg spielte auch der junge Adam Mainer wieder an der Spitze der Landwehr.

Königin Luise entdeckte sogleich den hübschen Jungen und sagte zu den begleitenden Fürsten Solms: „Sieh, dort ist mein Liebling schon wieder, vergeßt nicht, ihn mir zu holen.“

Nachdem die hohen Herrschaften auf dem Wall des Schloßes, wo später der Aussichtspavillion stehen sollte, sich zur Ruhe niederließen, suchten Fürst Solms und Minister Hardenberg nach den jungen Mainer. Fürst Solms fragte ihn nach Stand, Namen, ob er die Schule besuche und ließ ihm das vierte Gebot, und weil Mainer dabei zu weinen anfing, nicht ganz hersagen. Ihn bei der Hand nehmend und zur Königin führend, sagte er zu ihm: „ Mach deine Sache hübsch, gib schöne Antwort und fürchte dich nicht, der König und die Königin sind gute Menschen.“

Adam Mainer beantwortete alle Fragen so natürlich und manierlich, daß das Königspaar ganz von ihm eingenommen war. Der König fragte ihn, was er einmal lernen wolle, worauf er freimütig antwortete: „Musiker“

Königin Luise ließ sich dann alle seine „Stückchen“ blasen, fragte ihn, ob er nicht mit nach Berlin, wo es doch viel schöner sei, als in Hohenberg, ziehen möge?“ Mainer schüttelte jedoch verneinent den Kopf, worauf dann die Königin zu ihm sagte: „Ich begreife es nur zu gut, daß du lieber bei deiner Mutter bleiben willst. – Kannst du mir auch ein Leibstückchen blasen, das ich dir vorsinge?“ Hierauf antwortete der Junge, das Liedchen erst einmal hören zu wollen, und er blies es auch vollständig richtig nach. Danach erhielt Mainer vom Fürsten Solms Befehl, der Königin große Margarethenblumen zuzutragen, die sie ihm dann dankend aus der Hand nahm, dabei ihm mit der Hand über den Kopf streichend. Hierauf zupfte Königin Luise Gänseblümchen, mit dem bekannten Spruche: „Ich lieb dich von Herzen, mit Schmerzen, ein wenig, gar nicht“ und jedesmal warf sie das abgezupfte Gänseblümchen dem König zu.

„Nachdem die hohen Herrschaften ausgiebig die herrliche Fernsicht ins Egerland genossen hatten, verfügten die Majestäten sich mit Gefolge zur Tafel in das Schloß, zu welchem Zwecke eigens der Küchenwagen von Alexandersbad nachgefolgt war.“ Von da an heißt dieser Platz auf dem Wall, wo die Majestäten ruhten: „Königsruhe“.

Nach der Tafel ging es auf Einladen der (böhmischen) Grafen von Zedtwitz nach Liebenstein, eigentlich nach der Steinmühle, wo auf dem dortigen hohen Felsen der Kaffee eingenommen wurde.

Bei der Abfahrt zurück nach Alexandersbad wurde Mainer durch Fürst Solms noch einmal in die Chaise gehoben und wurde hier nochmals dringlich um sein Mitgehen nach Berlin angehalten. Dieses Ansinnen unterstützte der König mit den Worten: „ Gehe nur mit, ich lasse dir lernen, was du willst, ich will alles bezahlen.“ Kopfschütteln war jedoch die Antwort. Der König erwiederte daraufhin: „Nun, so komme am Donnerstag nach Alexandersbad und erkläre mir, was du werden willst, denn wenn der König was verspricht, das hält er auch.“

Am folgenden Donnerstag, den 27. Juni, übermittelte der König persönlich seine Entscheidung, das er die Musik zu erlernen habe. Als Lehrmeistere wurde der Türmer und Kirchenmusikus Thomae zu Arzberg bestimmt, bei 5 Jahren Lehrzeit, 84 Gulden Lehrgeld und alle Jahre 21 Gulden Monturgeld.

Lange lag Adam Mainer mit seinem Eltern, braven aber unbemittelten Leuten, die ihn durchaus für ein Handwerk zu bestimmen suchten – im Streite, indem er sie stets auf das königliche Versprechen hinwies. Endlich ließen die sich durch sein Bitten bewegen, ihm zu vergönnen, daß er am 26. Januar 1806 eine Bittschrift an den König einreichen durfte, worinnen er solchen bescheidentlich an sein Versprechen erinnerte und zugleich mitteilte, daß der damalige Musikus in Arzberg bereit sei, ihm um 100 preußische Taler in die Lehre zu nehmen.

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten, denn schon am 13. Februar 1806 erfolgte der königliche Bescheid:

„Seine Königliche Majestät Friedrich Wilhelm III. von Preußen erteilen dem Johann Adam Mainer auf dessen Vorstellung vom 26. vorigen Monats zu nachrichterlichem Bescheid, daß Allerhöchstdieselben dem Staatsminister Freiherrn von Hardenberg dato aufgetragen haben, ihn, da er zur Erlernung der Musik zu einem Musikus in die Lehre gehen will, in Ansehung des Lehrgeldes, soweit es nötig ist, aus Provinzialfonds zu unterstützen.

Berlin, den 13. Februar 1806.                                        Friedrich Wilhelm III.
König von Preußen

Dieses Dekret – vom König eigenhändig unterzeichnet – wird noch von dessen Hinterbliebenen als ein kostbares Andenken königlicher Huld aufbewahrt.

Das Versprechen wurde erfüllt, das Lehrgeld richtig angewiesen und ausbezahlt, doch die verheißene Unterstützung zu dessen höherer Ausbildung verhinderte der im Herbst 1806 über den preußischen Staat hereingebrochene französiche Krieg und die Lostrennung des Fürstentums Bayreuth von der Krone Preußens. Dem jungen Künstler fehlte nun die finanzielle Unterstützung. Manches Mißgeschick verfolgte ihn und so mußte er denn nach mancher vergeblicher Anstrenung zu höherem Kunstflug sich letztlich mit dem bescheidenen Los eines Kirchen-Musikus in seinem Heimatort Hohenberg begnügen

Nach mündlicher Überlieferung durch meinen Vater, Drechslermeister Johann Adam Mainer von Arzberg, habe ich (der Unterzeichner) der (vorstehenden) Urkunde noch folgendes beizufügen:

„Bei dieser letzten Begegnung mit den Kgl. Majestäten, geruhte Ihre Majestät Königin Luise auszusprechen, mein Großvater, den sie so lieb gewonnen hat, möge noch einen Wunsch äußern, den sie erfüllen wolle. Da antwortete er, er bitte um eine Geige! Königin Luise ließ daraufhin aus Berlin ihm, zu seiner höchsten Freude, eine Geige zukommen.

Die nunmehr historisch gewordene Geige ist, nach einer vor  25 Jahren notwendig gewesenen Reparatur, ausgeführt durch einen tüchtigen Geigenbauer in Marktneukirchen, heute noch vorhanden und zur Zeit in Besitze von Frau Fabrikddirektor Bertha Mainer in Zwickau. Letztere hat nunmehr diese Geige dem Unterzeichneten zugeeignet.“

Bayreuth, den 7. April 1931, gez. Georg Friedrich Mainer, Kgl. Revierförster a.D.

Johann Adam Mainer wurde 1791 geboren, verheiratete sich um 1820 mit der Tochter Sophie seines Musik-Lehrmeisters Joh. Wolfgang Joseph Friedrich Thoma von Arzberg. Er starb am 4. August 1847 im Alter von knapp 56 Jahren als Kirchenmusikus und Kapellmeister in Hohenberg.

Sein Sohn Friedrich (Fritz) Mainer (*1827 + 1880), Kaufmann und Bürgermeister in Hohenberg von 1877 – 1880, verfaßte um 1870 ein Schriftstück, in welchem er die Umstände und Ereignisse des Besuchs der Königin Luise in Hohenberg festhielt.

Ergänzende Taten lieferte die literarisch tätige Pfarrerstochter Wilhelmine Vogel, die vom 12. Juni bis 8. August 1850 einen „Landaufenthalt bei Frau Porzellan Fabrikbesitzerin Johanna Hutschenreuther (geb. Reuß)“ in Hohenberg weilte und     auch mit Joh. Adam Mainers Witwe Sophie sprach. Die Ergebnisse hielt Vogel in ihren „Königlichen Erinnerungen aus Hohenberg vom Jahre 1805“ fest.

(von Siegfried Röder)