Bei der Vornahme einer „Generalvisitation“ im Juni 1785 wurde die Burganlage durch die Herren Landschaftsrath von Flotow und den markgräflichen Kammerrat Heinrich Christoph Braun auf etwaige Schäden eingehend besichtigt und in einem Protokoll festgehalten. 1)

Aus dieser Beschreibung lässt sich die Lage der ehemaligen sogenannten Zigeunerstube in der um 1480 erbauten Vorburg eindeutig bestimmen. Da heißt es: „…. vor dem Eingang in die untere Pastey (=Bastei) noch eine Aufziehbrücke hat. In solcher [Bastei] bewohnt der Thorhüter Pring parterre ein kleines Stüblein, hat oben darüber ein Kämmerlein unterm Ziegeldach, dann übern Weeg am Bronnenhauß noch eine Kammer zu seinem freyen Quartier zu genießen. Gleich neben dieses Thorwarts Stüblein findet sich die sogenannte Zigeuners Stube, die dermalen von einem Garnisoner Namens Lochner…. bewohnt wird…“

zigeuner_lageplanDie Zigeuner-Stube hat ihren Namen davon, dass hier der Vater des 1714 durch einen Sturz vom Pferd tödlich verunglückten markgräflichen Hofzwergs Georg Wilhelm, der Zigeuner Valentin (von) Laubenberg und dessen Sippe, auf Anweisung des Markgrafen Christian Ernst, ein kostenloses Logis angewiesen bekommen hatte und bis zu seinem Lebensende 1727 hier wohnte.

Karl Müssel berichtet, wie der Zigeunerjunge in sein höfisches Amt gekommen war, nachdem ihn der Bayreuther Erbprinz in einer Schaustellergruppe entdeckt hatte. Er erwarb ihn und wies ihn seinem Hofstaat zu. Hier nannte man ihn den „Kleinen Wilhelm“ getreu den Vornamen seines Herren Georg Wilhelm. Der Hofzwerg trug bei Hofe eine Narrenkappe mit rotem Hahnenkamm und konnte sich allerlei Späße erlauben, die ihm vom Markgrafen nicht übel genommen wurden. Im Gefolge des Erbprinzen wurden ihm jedoch sein scharfer Witz, seine verletzende Weise und Zuträgereien übel genommen.

Dem tödlich Verunglückten wurde sogar ein Denkmal errichtet. Die Inschrift besagt: „Am 30. Januar 1714, abends 5 Uhr, ist der hochfürstlich brandenburgische Kammerzwerg Georg Wilhelm Laubenberg hier mit seinem Pferd gestürzt und hat seinen Geist in selbiger Nacht um 1 Uhr auf dem hochfürstlichen Schloß zu Bayreuth im 21. Jahr seines Alters aufgegeben. Liegt in der Gottesackerkirche begraben. 2)

Dieser Sachverhalt ist ebenfalls einem Eintrag im Hohenberger Totenbuch von 1715 zu entnehmen, als der 10Jährige „Zigauners Jung“ Johann Nicol von Geßlau, ein Vetter des Laubenbergs, beerdigt wurde.

Johann Nicol von Geßlau, ein Zigeuners Jung, Herrn Johann von Geßlau und seines Weibes Anna Christina Sohn ist an der Ruhr gestorben den 20 Aug. in dem Hohenbergischem Grenz Schloß bey seinem Herrn Vettern Valentin von Laubenberg, einem Zigeuner (dem unser gnädigster Landesfürst seines Sohns wegen, der ein Zwerglein und an den Bayreuthischen Hof gestorben durch einen Sturz vom Pferd, nach Hohenberg quartiret) seines Alters 10 Jahr und den 21. Aug. mit einem Leich Sermon begraben worden. 3)

Ein gesellschaftliches Großereignis für die in der Vorburg hausenden Zigeunersippe der Laubenberg war wohl die Geburt eines Mädchens. Dazu lesen wir im Hohenberger Taufbuch vom 18. Juli 1716 4)

„….Christiana Sophia Johanna Dorothea Maria Cordula Catharina – ein Zigeuners Kind ist in Hbg. Sonnabend den 18. Julii früh zwischen 1 und 2 Uhr gebohren und andern Tags darauf den 19 Ejusdem getauft worden. Der Vater desselben war Sigmund Laubenberger, ein Zigeuner Catholischer Religion zugethan, sein Weib Clara Elisabetha. Zu Taufzeugen haben gedachte Eltern nach Zigeuners gebrauch mehr als eine Person, sondern unterschiedlich bitten lassen.

(1) Salvo Titulo Regio. Frau F. Christiana Eberhardina, Jhro Königl. Majestät in Polen und Churfürstl. Durchl: zu Sachsen Herrn Herrn T: Augusti, Ehgemahlin , damals in Eger in der Sauerbrunnen Cur.

(2) Tit: Tit: Fr. Fr: Sophia Marggräfin zu Brandenburg etc. etc. unseres Durchlauchtigsten Landes Fürsten und Herrn, Herrn Georg Wilhelm, Marggraffens zu Brandenburg S.S.S. Frau Gemahlin.

(3) Jungfer Margaretha Dorothea Werthin, Herrn Haubtmanns und Bacht-Amtmanns auf dem Hohen-bergischen Grenz-Schloßes und Schirndingischen Passes Commendanten ält. Tochter.

(4) Jungfer Sophia Ottilia Nürnbergerin, Herrn Jacob Nürnbergers Amtsverwalters alhiero ält. Tochter.

(5) Johanna Maria Oertlin, Herrn Johann Caspar Oertels, Richters in Thiersheim jüngste Tochter.

(6) Dorothea Barbara Oertlin, Johann Adam Oertels, Gerichtschreibers und Schulmeisters in Hohenberg Ehefrau.

(7) Maria Kayserin, Herrn Johann Wilhelm Kaysers, Försters in Selb ältre Tochter,

(8) Maria Nürnbergerin, Herrn Wolfgang Adams, weyl: gewesener Försters in Thierstein einige Tochter.

(9) Catharina Singerin, Herrn Georg Singers, Bürgermeisters in Hohenberg jüngste Tochter.

(10) Cordula Böhmin, Herrn Lorenz Böhmens in Arzberg Eheweib.

Von den männlichen Geschlecht sind zu Baden (Taufpathen) erwehlet worden:

(11)Tit: Tit: Herr Georg Ehrenfried von Nauendorff, Geheimbder Rath in Bayreuth.

(12) Tit:Tit: Herr Leo Bernhard von Lindenfelß zu Wunsiedel, Geheimbder Rath und Landes-haubtmann.

(13) Tit:Tit: Herr Casimir von Benckendorff, Ober Forst- und Jägermeister. zu Bayreuth.

(14) Tit: Herr Johann Heinrich Schreiter, Amts Castner in Wunsiedel.

(15) Tit. Herr Johann Michael Findeißen, Stadtrichter in Wunsiedel.

(16) Herr Johann Rochus Fischer, Richters – und Steuereinnehmer in Selb.

(18) Herr Melchior Oechßler, Förster in Thierstein.

(19) Herr Johann Caspar Meyer, Richter-Amts Adjunctus in Arzberg.

(19) (!) Herr Johann Christoph Weller, auff dem Wellerthal,

(20) Tit: Herr Johann Adam Juncker, Bürgermeister zu Eger,

(21) Tit. Herr Johann Philipp Müller, Doctor Medicinae in Eger,

(22) Herr Daniel Kayser auf dem Hendelhammer.

(23) Johann Christoph Keck, und

(24) Johann Christoph Eckart, Beede in Hohenberg“.

Wie man sieht, eine stattliche Anzahl von klangvollen Namen. Zur damaligen Zeit glaubte man, den Kindern von Zigeunern besondere christliche Zuwendungen entgegenbringen zu müssen. Auch schmeichelte es den betroffenen Familien, dass sich für ihre Kinder geachtete Persönlichkeiten verbürgten, die zwar wildfremd, aber vermögend waren. 5) Nach einem Rescript Georg F. Carls vom 17. Febr. 1735 verbot man Personen geringen Standes, dass sie weder Serenissimum (=reg. Fürsten) noch Dero Fürstliche Familie mit Hochzeit- oder Gevatter-Briefen behelligen sollen.

Vom Jahr 1719 findet sich ein weiterer Taufeintrag 6) genannter Familie.

„Maria Margaretha, Dorothea, Barbara, Sigmund Laubenbergers, eines Zigeuners, und seines Weibes Gloria Elisabetha, einer gebohrnen. Rosenbergerin, Töchterlein , ist den 22. Aprilis Abends zwischen 3 und 4 Uhr auf dem Sommerhau geboren und dem 24. Ejusdem getauft worden: Die Taufzeugen waren:
(1) Frau Maria Rosina Mießlin, Herrn Haubtmann Mießels zu Arzberg Eheliebste,
(2) Margaretha Pöhlmännin in dem Obern Burgguth ledigen Standes,
(3) Dorothea Barbara Röderin, Meister Stephan Röders Hammermüllers Tochter,
(4) Dorothea Jägerin von dem Sommerhau,
(5) Herr Johann Werlein, Bgm. in Eger,
(6) Herr Peter Daut, Fähren Sattler, unter der löbl. Bayreuthischen Cuirassier Leib Guarde,
(7) Johannes Kaiser von dem Hendel-Hammer,
(8) Conrad Müller vom Sommerhau.

Der Eingangs erwähnte Valentin Laubenberger stirbt 80jährig in Hohenberg. Der Sterbeeintrag lautet: 7)

Valentin Laubenberger, Zigeuner, wohnend in dem Hochfürstl. Grenzschloß, ist den 13. Maii verstorben und den 16. diß mit einer Predigt zu Erden bestattet worden, denn er hat den evang. Glauben über 2 Jahr zuvor angenommen gehabt. Alt 80 J.

Ein Zufallsfund in den Hohenberger Sterbematrikeln nennt einen weiteren Zigeuner namentlich vom Jahre 1650. Da heißt es:

Christoph Schmeltzer, ein Zigeuner, komet mit Andern von Fischern anhero, und wolln da über Nacht bleiben, denen mann aber kein Quartir verstättet, haben in Wirthshauß mit einander gezehrt, und uneins worden, heraußen vor dem Wirthshaus aufeinander geschossen, und diesen durch daß rechte Schulder Plat geschoßen, daß die Kugel vorn bej den Haupt außgangen, worüber nachts in der Pitteley verstorben und hernach unten, auß(en)wendig am Gotts Acker an die Mauer begraben worden. Auch einmal zusammengeschlagen, doch ohne Gesang von Schloß (herunter) getragen, ist von Grönningen aus dem Stifft Halberstadt bürtig und hat den adel: Lob, 14 Jahr von einem Trommelschläger und 2 Jahr von einem Soldaten gedienet, den 19. 9bris diz. 8)

Nachweis:
1) StA Bamberg C 9/VI, Nr.10994/III, siehe auch „Freistatt“-Heft Bd. XVII, S. 156
2) Christoph Rabenstein/Ronald Werner: St. Georgen – Bilder und Geschichten, Bayreuth 1994, S. 83
3) Sterbebuch 1715 Nr. 10
4) Taufbuch 1716 Nr. 5
5) Singer, D.W., Dr. Geburt und Taufe im Sechsämterland, Hof 1992, S. 23
6) Taufbuch 1719 Nr. 6
7) Sterbebuch 1727 Nr. 5
8) Sterbebuch 1650 Nr. 914

Siegfried Röder